Eine Muskelhypotonie oder muskuläre Hypotonie bezeichnet einen Mangel an Muskelspannung und Muskelstärke im menschlichen Körper. Eine niedrige Muskelspannung bedeutet einen schwachen Muskeltonus beziehungsweise eine Erschlaffung der Muskulatur. Dafür gibt es verschiedene zentrale und periphere Ursachen.

Die Begleiterkrankung "Muskelhypotonie"

Eine muskuläre Hypotonie stellt eine Begleiterkrankung unterschiedlicher Grunderkrankungen dar. Primär rufen bestimmte Stoffwechselerkrankungen wie etwa eine CDG, angeborene Krankheitsbilder der Neuromuskulatur wie die Nemalin Myopatie oder eine Alkoholembryophatie die Störung hervor. Das Krankheitsbild manifestiert sich im Normalfall im Säuglings- oder frühem Kindesalter. Vereinzelt kann sich eine Erstmanifestation im höheren Lebensalter als Konsequenz von Autoimmunerkrankungen oder Schädigungen des zentralen Nervensystems einstellen.

Folge der CDG-Erkrankung

Die muskuläre Hypotonie kann beispielsweise als direkte Folge einer CDG-Erkrankung sichtbar werden, die mit einem angeborenen biochemischen Defekt bei der Verknüpfung zwischen den körpereigenen Zuckerketten, Proteinen und Fetten verknüpft ist. Der Begriff CDG steht als Synonym für die medizinische Bezeichnung congenital disorder of glycosylation. Demnach zeichnet sich das Krankheitsbild der CDG- Erkrankungen durch einen angeborenen Defekt bei der natürlichen Glykosylierung aus, die die Abfolge von Aminosäuren im Erbgut verändert und zu Ausfällen bestimmter Gensequenzen führt. Die muskuläre Hypotonie kann daher als Folge einer CDG entstehen, die als Stoffwechselerkrankung zu klassifizieren ist.

Typisch für die Erkrankung sind Fehler bei der N-Glyklosylierung, die Defekte bei der Verkettung bestimmter Biomoleküle bzw. bei der Verbindung von Eiweißen, Zuckern und Fetten verursachen. Fehler innerhalb einer Zuckerkette schränken die Funktion von Glykoproteinen ein. Glykoproteine sind Zuckerketten, die an bestimmte Proteine gekoppelt sind und für die Codierung der DNA- Sequenzen zuständig sind.

Ursachen

Fehlende Haltungskontrolle verursacht grobmotorisches Verhalten:

Eine muskuläre Hypotonie wird klassischerweise im Säuglings- und Kindesalter diagnostiziert. Muskulär hypotone Patienten sind antriebsarm und weisen schwerwiegende Entwicklungsverzögerungen auf. Chromosomenanomalien und Gendefekte lösen die muskuläre Hypotonie als Begleitsymptom aus. Zusätzlich sind zerebrale Bewegungsstörungen als medizinische Ursache für das Krankheitsbild identifiziert. Laut Medizinern erhöhen bestimmte Risikofaktoren während der Schwangerschaft oder eine familiäre Vorbelastung die Wahrscheinlichkeit für die Entstehung einer muskulären Hypotonie. Mehrlings- und Frühgeburten begünstigen ebenfalls maßgeblich das Risiko für das Auftreten einer muskulären Hypotonie.

Symotome und Anzeichen

Diese Anzeichen gelten als erste Symptome einer Muskelhypotonie:

Verminderter Muskeltonus

Entwicklungsverzögerte Kinder und Säuglinge können die körpereigene Haltungskontrolle ihrer Muskulatur nur unzureichend ausführen. Die muskuläre Hypotonie wird daher über eine verhältnismäßig schlaffe Muskelanspannung bzw. einen verminderten Muskeltonus erkennbar. Der Muskeltonus reguliert im motorischen Ruhezustand die physiologische Grundaktivität der Muskulatur.

Da der Muskeltonus bei einer muskulären Hypotonie dauerhaft herabgesetzt ist, beeinträchtigt dieser Zustand nachhaltig die motorischen Fähigkeiten der Patienten. Der Verlust der individuellen Haltungskontrolle reduziert demnach direkt die persönliche Handlungsfähigkeit des Patienten und mündet in unkoordinierte, willkürliche Bewegungsmuster.

Koordinationsstörungen - Feinmotorik und Grobmotorik

Charakteristische Merkmale einer muskulären Hypotonie sind daher mangelhafte motorische Fähigkeiten, Koordinationsstörungen der Fein- bzw. Großmotorik, Dsymetrie sowie eine objektiv verminderte Geschicklichkeit. Menschen, die unter einer muskulären Hypotonie leiden, fallen aufgrund dieser spezifischen Symptome als Grobmotoriker mit einer mangelhaften Impulskontrolle der motorischen Fähigkeiten auf. Im Extremfall werden die Defizite in der Motorik fälschlicherweise mit aggressivem Verhalten gleichgesetzt.

Müdigkeit

Gleichzeitig kennzeichnen muskulär hypotone Kinder Schlappheit, die Neigung schnell zu ermüden und eine unzureichende Ausdauer bei motorischen Übungen oder Bewegungsabläufen. Muskulär hypotone Säuglinge sind auffällig schläfrig und ruhig. Stillen empfinden sie als subjektiv zu anstrengend. Die Defizite bei der Haltungskontrolle verhindern das Ausbalancieren des Kopfes und machen Ellenbogenbeugungen seitens des Säuglings unmöglich, sofern dieser hochgehoben wird.

Wegen der fehlerhaften Haltungskontrolle überspringen die betroffenen Kinder bestimmte Bewegungsstufen. Aufgrund ihrer erlebten Defizite vermeiden sie das Krabbeln und Körperdrehungen. Das Liegen auf dem Bauch umgehen diese Säuglinge ebenfalls bewusst. Um ihre mangelhafte Motorik zu kompensieren, entwickeln viele Kinder eine Hyperkinesie, die durch motorische Unruhe auffällt.

Schwimmbewegungen bei Babys

Führt das Baby im Zuge des 5. und 6. Lebensmonates Schwimmbewegungen aus, ist dies als Indikator für einen gesunden Spannungszustand im Körper zu verstehen. Schwimmsimulationen, die in einem frühen Lebensalter ausgeführt werden, sind deshalb ein Hinweis auf die Gesundheit der kindlichen Muskulatur.

Krankheitsbild

Erkrankte Kinder werden häufig fälschlicherweise zu Patienten der Jugendpsychiatrie:

Das Krankheitsbild senkt die konstante Haltungskontrolle der Skelettmuskulatur, die essentiell für die Haltungskontrolle ist. Die Muskeln des Skelettes steuern und regulieren den Informationsfluss über das zentrale Nervensystem, das unmittelbar die Rumpfmuskulatur, die Bewegungsabläufe der Gliedmaßen und Körperteile lenkt. Komplexe Regelkreise, die mit Hilfe des zentralen Nervensystems an die Skelettmuskulatur übermittelt werden, stellen sicher, dass für jede körperliche Aktivität eine angemessene Muskelaktivität abgerufen werden kann.

Entwicklungsstörung bei Kindern

Muskulär hypotone Kinder sind häufig nicht auf den jeweils ersten Blick als entwicklungsverzögert einzustufen. Allerdings fördert die verminderte Kontrolle der Skelettmuskeln einen auffälligen Bewegungsdrang, weshalb erkrankte Kinder in der Praxis nicht die Fähigkeit besitzen ausdauernd zu laufen, stillsitzen oder stehen zu können. Die Erkrankten reagieren mit der übermäßigen körperlichen Aktivität auf die ständig fehlende Haltungskontrolle. Motorische Aktivität dient deshalb als Kompensation, um das eigene von Betroffenen als störend empfundenes Defizit zielgerichtet auszugleichen.

Sowohl Eltern als auch Erzieher fehlinterpretieren dieses Verhalten der Erkrankten oftmals und projizieren dies in der Regel auf einen vermeintlich falschen Erziehungsstil. Tatsächlich belegen in diesen Fällen neurophysiologische Untersuchungen, dass die motorischen Störungen auf Regulationsstörungen der muskulären Balance zurückzuführen sind. Patienten mit einer muskulären Hypotonie avancieren daher fälschlicherweise relativ häufig zu Klienten der Kinder- und Jugendpsychiatrie, obwohl tatsächlich eine unzureichende Haltungskontrolle der Skelettmuskeln die Beschwerden hervortreten lässt.

Eingeschränkte Bewegung

Das Bewegungsmuster von muskulär hypotonen Kinder ist unbeholfen, stampfend und schwerfällig. Parallel umgehen die Betroffenen Hockstellungen, da die individuelle Fußanpassung an die Bodenfläche fehlt. Der dauerhafte Mangel der Haltungskontrolle lässt langsame, vorsichtige Bewegungen nicht zu.

Die Wahrnehmungsfähigkeit der Erkrankten ist häufig eingeschränkt, weil die dafür zuständigen Rezeptoren in den einzelnen Gelenken und Muskelfasern angesiedelt sind. Diese sind bei Muskelhypotonien in der Regel krankhaft verändert und forcieren deshalb Defizite in der Wahrnehmungsentwicklung, die an die Spielentwicklung gebunden ist. Im Vergleich zu gesunden Kindern erkunden hypotone Sprösslinge weniger intensiv neue Gegenstände und zeigen einen schwächeren Spieltrieb.

Behandlung und Therapie

Ergotherapie, Physiotherapie und Sport lindern die Beschwerden:

Die fehlende Muskelspannung beeinträchtigt die Funktionalität von Zunge, Mund und Gaumen, wodurch die Artikulation negativ herabgesetzt wird. Differenzierte Bewegungen von Zungen und Lippe sind oftmals lediglich eingeschränkt möglich. Zusätzlich minimieren die Fehler bei der Steuerung der Gesichtsmuskulatur die Mimik. Dies forciert die Etablierung eines mangelhaften Sprechmusters, und verleiht dem Kranken einen alten Gesichtsausdruck. Mit Hilfe einer sensomotorischen Ergotherapie können die Beschwerden behandelt werden.

Diagnose

Zur eindeutigen Diagnosestellung von muskulären Tonusstörungen wie der muskulären Hypotonie, ist ein Tastbefund der jeweiligen Skelettmuskulatur von Oberschenkeln, Armen, Fingern, Händen, Unterschenkeln, Füßen und Zehen zwingend erforderlich. Im Fachjargon wird dieses Verfahren als Palpationsbefund bezeichnet. Aufgrund der verminderten Muskelspannung leiden verhältnismäßig viele Patienten zudem bereits in einem jungen Lebensalter an ausgeprägter Cellulite.

Das Therapieziel der muskulären Hypotonie fördert die Haltungskontrolle, intensiviert die eigene Körperwahrnehmung und erlaubt eine Tonusregulation. Durch regelmäßige sportliche Aktivität wie Radfahren, Schwimmen oder Turnen kann das Krankheitsbild positiv beeinflusst werden.

Weitere Informationen:

Für fachkundige Informationen sollten Sie sich unbedingt direkt an einen Arzt wenden! Alle Angaben und Informationen sind ohne Gewähr.